Gestaltung und Pflege von Bonsai
Pinzieren – eine der wichtigsten Pflegemassnahmen unserer Bonsai
Ein nach der japanischen Tradition entwickelter Bonsai bildet im Laufe der Zeit Reife und einen ausdrucksstarken Charakter aus, zu erkennen auch an einer möglichst feinen Verzweigung und einer zur Proportion des Baumes passenden Blattgrösse. Durch das frühzeitig beginnende und regelmässige Pinzieren bestimmter Pflanzenarten im zeitigen Frühjahr werden diese Merkmale erreicht und erhalten.
Der richtige Zeitpunkt und das Vorgehen:
Beim Pinzieren wird dem frischen Austrieb möglichst früh die Spitze genommen. Dabei greift man (bei Laubbäumen) den noch jungen Trieb zwischen dem ersten Blattpaar und der Spitze und zupft diese Spitze mit den Fingern oder einer Pinzette aus. Das erste Blattpaar bleibt aber stehen und aus den Achseln dieser beiden Blätter entwickeln sich in der Folge Neutriebe, die im Normalfall kürzer und feiner sind als der erste Trieb. Dieser
Vorgang des Pinzierens wird wiederholt, solange ein Neuaustrieb stattfindet, in der Regel bis in den Juli hinein.
Die Wirkung:
Das frühzeitige und fortgesetzte Pinzieren der Neutriebe führt nicht nur zur Ausbildung kleinerer Blätter sondern auch zu deutlich kürzeren und dünneren Austrieben zwischen den einzelnen Blattpaaren, also einer feineren Verzweigung.
Bei Bonsai in der Aufbauphase kommt diese Pflegemassnahme auf keinen Fall zur Anwendung, sie wäre kontraproduktiv, weil in diesem Entwicklungsstadium der Zuwachs für den Aufbau des Kronengerüstes erwünscht und notwendig ist.
Bei reifen Bonsai dagegen ist diese Pflegemassnahme elementar, um den Baum in seiner Form und Reife zu erhalten und seinen Charakter zu verbessern.
Anwendung:
Zur Anwendung kommt das Pinzieren bei Baumarten, die mehrere Austriebe pro Jahr produzieren, z.B. den Ahornarten, Buchen, Zelkowen und in abgewandelter Form auch bei Nadelgehölzen und Lärchen.
Bonsai in der Aufbauphase werden grundsätzlich nicht pinziert, damit sie noch zulegen können. Sie werden erst im kommenden März oder – bei frostfreier Überwinterung – im Spätherbst oder Winter geschnitten.
Bei Kiefern und Wacholdern kommen andere Methoden der Triebkürzung zur Anwendung, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt. Bei Nadelbäumen werden zwar neue Knospen angelegt,
die aber meist erst im Folgejahr austreiben.
Bei Lärchen werden ab Juni die neuen Langtriebe entspitzt bzw. auf die gewünschte Länge reduziert. Dadurch wird dem Neutrieb die Spitzentriebförderung genommen, das Längenwachstum verlagert sich zu Gunsten neuer Knospen in den unteren Bereich dieses Neutriebs. Diese Knospen treiben nach kurzer Zeit meist wieder als Langtriebe aus. Mit dieser Massnahme wird ein zusätzlicher Austrieb erzielt, der noch gut ausreift und der erst im kommenden Nachwinter beschnitten wird. Aber Vorsicht: Ein zu frühes oder zu starkes Kürzen des Austriebs führt bei Lärchen meist zur Produktion von Kurztrieben (Nadelbüschel ohne Längenwachstum), die für den weiteren Kronenaufbau unbrauchbar sind.
Quellen: Fachliteratur, Kollegengespräche, BCD-Schulungen und eigene Erfahrungen
Liebe Bonsaifreunde,
meine Veröffentlichungen beruhen auf eigenen Erfahrungen und Auswertungen der einschlägigen Fachliteratur. Wenn Diskussionsbedarf besteht oder andere Erfahrungen gemacht wurden, dann schreibt mir doch eine E-Mail: w.porath@ro-online.de
Euer
Werner J. Porath
2. Vorsitz und Schulungsbeauftragter