Gestaltung und Pflege von Bonsai
Allgemeines Grundwissen für die Gestaltung und Pflege von Bonsai
Gestaltung
Da aus einem Baum selten von alleine ein Bonsai wird, muss er „gestaltet“ werden, egal ob er aus Samen gezogen oder der Natur (dem Garten) entnommen wurde. Selbst bereits vorgestaltete „Prebonsai“ aus dem Handel müssen weiter gestaltet, das heisst laufend und gezielt bearbeitet werden.
Bonsai sind keine besonderen zwergwüchsigen Zuchtformen sondern zunächst „ganz normale“ Bäume oder Sträucher, die ohne Schnittmassnahmen genauso gross werden wie ihre Artgenossen in der freien Natur.
Mit Tipps für die notwendigen Arbeiten wollen wir hier unterstützen.
Generell können wir wertvolle Bonsai entweder über die Jahre selber ziehen oder mit viel Geld kaufen. Wichtig ist dabei immer, einige wesentliche Grundsätze zu beachten.
Grundsätzlich ist zu bedenken, dass viele laufende, also während der gesamten Vegetationszeit fortgesetzte, gestaltende Bearbeitungsschritte sehr viel erfolgversprechender sind und deutlich schneller zu guten Ergebnissen führen als mehr oder weniger radikale Massnahmen „nach Terminplan“.
Ausserdem ist zu bedenken, dass Bonsai in der Aufbauphase gänzlich anders zu behandeln sind als bereits gestaltete Exemplare, bei denen nicht mehr die künftige Formgebung sondern der Erhalt der Gestalt in Vordergrund steht.
Ein Bonsai bildet quasi eine Einheit aus 3 Grund-Elementen:
- Der Wurzelansatz und untere Stammbereich (Nebari und Tachiagari)
- Der Stammbereich mit den ersten beiden „Wichtigen“ Ästen
- Die Äste im Kronenbereich mit der Spitze.
Generell sollte sich der gesamte Stamm von unten nach oben erkennbar verjüngen, also im Durchmesser vom Wurzelansatz bis zur Spitze gleichmässig abnehmen.
Weitere zentrale Details sind der bestimmende erste Hauptast „Sashi eda“, der dem Baum seinen elementaren Charakter gibt und der Gipfel des Baums, der sich in Richtung dieses Hauptastes neigen sollte.
Ausserdem neigt sich der Gipfel grundsätzlich leicht dem Betrachter zu, wendet sich also niemals von ihm ab.
Bonsai sind Pflanzen wie alle anderen auch und Pflanzen „funktionieren“ nach den immer gleichen biologischen Grundsätzen (Wachstumsgesetzen). Deren generelle Kenntnis ist hilfreich wenn nicht gar Voraussetzung für die Gestaltung, Pflege und langjährige Gesunderhaltung unserer Bonsai wie aller anderen (Zier- und Nutz-) Pflanzen.
Die wichtigsten Wachstumsgesetze sind hier stichpunktartig beschrieben und sollen vor allem Anfängern eine Hilfestellung für die erfolgreiche Bonsaipflege geben.
Eintopfen/Umtopfen/Umpflanzen
Zweck: Neues Wurzelwachstum,
Gesundung kranker Wurzeln, Wachstumsförderung
- Gleichgewicht zwischen Wurzeln und Krone
- Gestaltung des Nebari (Wurzelansatz mit Übergang zum Stammansatz)
- Anschliessend ca. 2 Wochen lang zur Verhinderung von Austrocknung „absonnige“ und windgeschützte Aufstellung (hell aber keine direkte Sonnenbestrahlung)
4 – 6 Wochen lang nicht düngen. - Durch die klimatischen Veränderungen wird die Zeit des Übergangs vom Winter in den Sommer immer kürzer und unberechenbarer. Hohe Temperaturen setzen oft schon kurz nach den letzten starken Frösten ein, was besonderes Fingerspitzengefühl bei der Wahl des Umtopfzeitpunkts erfordert. Viele „Bonsaianer“ topfen daher auch ihre Laubbäume im Herbst um. Wie auch immer: Der Baum muss neue Wurzeln gebildet haben, bevor es im Frühjahr heiss oder im Spätherbst frostig und windig wird.
Laubbäume und Lärchen werden generell während der Ruhezeit getopft, idealer Zeitpunkt März und April, wenn keine stärkeren Fröste mehr zu erwarten und die Temperaturen noch nicht zu hoch sind.
Hohe Temperaturen erhöhen die Verdunstung. Weil beim Umtopfen auch der Wurzelapparat immer mehr oder weniger stark reduziert wird, können frisch umgetopfte Bäume im Austriebsstadium oder nach vollendetem Austrieb die erhöhte Verdunstung nicht durch ausreichende Wasseraufnahme ausgleichen, dadurch können einzelne Zweige, ganze Astpartien oder schlimmstenfalls der ganze Baum vertrocknen
Für Nadelbäume ausser Lärchen ist der beste Umtopftermin ab Mitte August bis Ende September, wenn die hochsommerlichen Temperaturen vorbei sind.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema Umtopfen
Gleichgewicht zwischen Wurzeln und Krone
Hormone
steuern das Wachstum aber auch die Ruhephasen unserer Pflanzen, Wurzeln und Krone eines Baums stehen in enger Harmonie zueinander. So werden von den Wurzeln Hormone zu den Spitzenknospen geleitet und geben den Auftakt zu deren Entfaltung. Diese Knospen bilden wiederum Hormone und leiten diese zurück in das Wurzelsystem. Diese gegenseitige Steuerung ermöglicht den Pflanzen durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Wurzelapparat und Krone eine sinnvolle Entwicklung.
Weitere Infos zu Hormonen
Schichten des Stamm- und Astaufbaus von innen nach aussen
- Kern
- Holz
- Kambium/Bast
- Rinde
Aussen, „hinter“ der Rinde, fliesst die von den Wurzeln bereitgestellte Nährlösung (Wasser und aus dem Boden gelöste Mineralstoffe) nach oben, wird in die äusseren Kronenbereiche (Blätter) verbreitet und dient dem Zellaufbau, der Photosynthese und der Kühlung (Verdunstung).
Innen, zwischen Kambium und dem „alten Holz“ fliessen die durch Photosynthese von den Blättern erzeugten Stoffwechselprodukte nach unten, wo die Abbauprodukte von den Wurzeln wieder an den umgebenden Boden abgegeben werden.
Schnitt
Generell müssen wir bei Schnittmassnahmen den Zustand unseres Bonsai berücksichtigen. Bonsai im Aufbau erfordern ein anderes Vorgehen als „fertige“ Bonsai.
- Der Triebschnitt dient der Anregung einer dichteren und feineren Verzweigung und kleinerer Blätter. Dadurch gewinnt der Bonsai an „Reife“.
- Die Stelle, an der der Schnitt erfolgt, dient der Richtungsbestimmung des Neutriebs
- Anregung der „Rückknospung" durch Saftstau infolge des Rückschnitts und verstärkten Lichteinfall („Innere Fülle“)
- Verkürzung von Ästen und Zweigen (Förderung einer kompakten Krone)
- Blattschnitt
Geschwächte, z.B. frisch umgetopfte Pflanzen, erhalten grundsätzlich keinen Blattschnitt,
auch bei jungen, noch im Aufbau befindlichen Bonsai macht er keinen Sinn, weil er das Wachstum und damit die Entwicklung bremst.
Der Blattschnitt hat unterschiedliche Funktionen:- Auslichtungsschnitt zur stärkeren Belichtung des Kronen-Inneren
Schlafende Knospen oder schwache Triebe im Inneren der Krone sterben ab, wenn sie „unterbelichtet“ sind. Um diese Knospen und Triebe zu aktivieren, werden Blätter an Zweigen entfernt, die diese Stellen abdunkeln. - (Teil-)Blattschnitt zur Förderung der Verzweigung
und zur Steuerung des Wachstums. Bei einzelnen Baumarten ist sehr schwer eine ausreichende Verzweigung zu erreichen. Dazu gehören z.B. Rosskastanie (Aesculus), Pfaffenhütchen oder Vogelbeere (Sorbus). Bei diesen Arten kann die Verzweigung gefördert werden, wenn unmittelbar nach dem Austrieb ein Total-Blattschnitt erfolgt. Normalerweise treiben diese Pflanzen sehr schnell und meist mit neuen Trieben aus den Blattachseln wieder aus.
- Auslichtungsschnitt zur stärkeren Belichtung des Kronen-Inneren
Insbesondere bei Laubbäumen erfolgt der Gestaltungsschnitt in der Ruhephase. Im laublosen Zustand sind mangelhafte Stellen oder aus der Silhouette herauswachsende Zweige gut zu erkennen und können beschnitten werden.
Manche Arten wie z. B. Ahorne neigen zum „Bluten“, wenn sie zum falschen Zeitpunkt geschnitten werden. Hier ist der ideale Zeitpunkt das Blattfall-Stadium, weil diese Bäume dann kaum noch Wasser aufnehmen und so auch keinen Saft verlieren.
Standort
Grundsätzlich unterscheiden sich Bonsai – wie alle Pflanzen -
auch nach ihren Lichtansprüchen. Während die Einen die volle Prallsonne lieben, wäre das für Andere das Todesurteil. Es gilt also, bei der Aufstellung unserer Bonsai deren Lichtansprüche zu berücksichtigen. Dabei ist „halbschattig“ tunlichst nicht mit „dunkel“ zu verwechseln. Milde Morgen- oder auch Abendsonne schadet keiner Pflanze.
Zu wenig Licht führt grundsätzlich zum „vergeilten“, also zu langen und schwachen, instabilen Neutrieben, die dann auch noch stark anfällig sind gegen tierische und pilzliche Schädlinge und Sonnenbrand.
Bei einseitig belichtetem Standort, z.B. vor einer (Haus-)Wand, einem Baum, oder zwischen Sträuchern, richten die Bonsai ihr Wachstum zum Licht aus. Alle Zweige und Blätter wachsen dann einseitig in Richtung Licht und lässt man die Pflanzen länger unverändert stehen, sterben die lichtabgewandten Zweige langsam ab und der Baum verkahlt einseitig. Das kann ganz einfach verhindert werden, wenn man solche Pflanzen im 14-tägigen Rhythmus um 180 ° dreht, also die bisher „unterbelichtete“ Seite in Richtung Licht dreht.
Giessen
dient dem Ausgleich des Wasserhaushalts und der Versorgung mit Nährstoffen unserer Pflanzen. Durch Verdunstung kühlen sie sich bei warmem und trockenem Wasser ab. Können die Wurzeln kein Wasser erreichen und aufnehmen, verdorren sie. Durch regelmässiges und gezieltes Giessen bleibt der Wasserhaushalt in Takt. Auch bei Regen ist auf ausreichende Bewässerung von Bonsai zu achten, weil durch ihr oft dichtes Blätterdach das Regenwasser nach aussen neben die Schale geleitet wird.
Beim Giessen ist Sorgfalt angebracht, zu häufiges Giessen führt durch Vernässung zur Wurzelschäden (sh. „Staunässe“), durch zu sparsames Giessen trocknen die Pflanzen aus, werden schlapp und im Lauf der Zeit schwach und krankheitsanfällig und können schliesslich sogar absterben.
Auch die Nährstoffversorgung funktioniert bei Staunässe oder Austrocknung nicht.
Grundsätzlich stellen alle Arten unterschiedliche Anforderungen an die Wasserversorgung und Ballenfeuchte.
Staunässe, „Nasse Füsse“
Die meisten unserer Bonsai und Beistellpflanzen vertragen – wie alle anderen Zierpflanzen – keine „nassen Füsse“, also Staunässe. Sie dürfen nicht längere Zeit im Wasser stehen. Auch nasses, verdichtetes Substrat vertragen sie nicht. Durch Staunässe wird die Belüftung des Wurzelballens unterbrochen und die Wurzeln bekommen keinen Sauerstoff mehr, sterben ab, und faulen. Solchermassen behandelte Pflanzen sind unweigerlich zum Tod verurteilt. Einzige Ausnahme sind Sumpfpflanzen wie z.B. viele Schachtelhalme, Sumpfzypressen, verschiedene Weidenarten und zum Teil auch Erlen.
Aus- und Vertrocknung
Ist ein Bonsai einmal vertrocknet, ist er verloren und allenfalls noch für eine „Verheiratung“ oder zur Dekoration zu verwenden
Bei kurzzeitiger starker Austrocknung ist eine Pflanze oft noch zu retten, wenn sie so lange in einen mit (ungedüngtem!) Wasser gefüllten Behälter gestellt wird, bis keine Luftblasen mehr aufsteigen.
Substrat
Das Substrat ist der Nährboden, in dem der Baum wächst. Es puffert die Nährstoffe unserer Pflanzen und gibt ihnen Halt und Standfestigkeit. Neben Wasser und Wetter beeiflusst das Substrat die Gesundheit und das Leben unserer Pflanzen massgeblich. Es muss deshalb in seiner Beschaffenheit den Ansprüchen nach Belüftung, Wasserhaltevermögen, Nächstoffspeicherung und Säuregrad (pH-Wert) der jeweiligen Pflanzenart entsprechen.
Düngung
Der Dünger ist die Nahrung unserer Pflanzen. Er ermöglicht ein ausgewogenes Gedeihen, also gutes Wachstum, die Blüten- und Fruchtbildung sowie die wichtigen Reaktionen auf die jahreszeitlichen Wechselerscheinungen.
In unserer Wissensbibliothek ist eine Abhandlung zum Thema Düngen zu finden: wissen-allgemein-duengen
Liebe Bonsaifreunde,
meine Veröffentlichungen beruhen auf eigenen Erfahrungen und Auswertungen der einschlägigen Fachliteratur. Wenn Diskussionsbedarf besteht oder andere Erfahrungen gemacht wurden, dann schreibt mir doch eine E-Mail: w.porath@ro-online.de
Euer
Werner J. Porath
2. Vorsitz und Schulungsbeauftragter